Wer auch immer die letzten Monate gestohlen hat: gib sie wieder zurück!
Vielleicht war es die Stadt?
Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich die Zeit seit April in Kobe, Osaka, Tokushima, Kyoto, Tokyo und Nikko verbracht... nach einem halben Jahr in Shintoku.
Der Unterschied ist so gewaltig, dass ich ihn nicht in Wort zu fassen weiß.
Beginnen wir mit:
Kobe
Nach
einem bis zu -29°C kalten Winter auf Hokkaido kam ich, passend zum
Sommer, in eines der heißen Gebiete Japans. In meinem Zimmer wurde
die 30°C Grenze täglich überschritten und die Toilette schaffte es
sogar manchmal über die 40°C hinaus. Ich fühlte mich bei der
ganzen Sache einfach nur bräsig, da ich nach ausführlicher
Selbstbeobachtung festgestellt habe, dass sich Hitze sehr unangenehm
auf die Leistungsfähigkeit meines Gehirns auswirkt.
Was
ein Glück das mein neues Projekt, die „Lernet Global School“
1.auf einem Berg, dem Rokkosan lag wo es stets ein paar Grad kälter
ist und 2. mein Gehirn nicht all zu sehr in Anspruch nahm.
Tatsächlich bestand der Großteil meines 7 Stundentages aus fangen
spielen und anwesend sein.
Wohnen
tat ich am anderen Ende der Stadt was mir täglich drei Stunden
Abenteuer Bus und Bahn bescherte.
Ich
muss ehrlich sagen, dass mir weder mein Projekt noch meine
Gastfamilie Grund dazugaben glücklich zu sein. Alles in allem passte
weder das Eine noch das Andere.
Dennoch
hatte ich Kobe und das heißt auf der einen Seite die Berge, auf der
Anderen das Meer und dazwischen eine Stadt in der fast alles möglich
ist (ausgenommen von drängeln wenn man in die öffentlichen
Verkehrsmittel steigt oder Zutaten für einen deutschen Kuchen
einkaufen).
Außerdem
war sowohl mein Zimmer als auch meine Arbeit sauber und nur in einem
Sinne erschöpfend, dass ich nämlich müde werde wenn ich nichts zu
tun habe.
Meine
Unausgelassenheit habe ich durch Amüsement kompensiert. Ich besuchte
einmal Wöchentlich den Onsen, ging mit Freunden Einkaufen, Essen, zu
Veranstaltungen wie z.B „Kobes Oktoberfest“ Anfang Juni, wir
gingen zum Meer oder verbrachten den Abend in einer Izagaya.
Der
Ausgleich funktionierte allerdings nicht immer. Mir fiel auf wie oft
ich mich ärgerte... zum Beispiel über die Schnaufer in Bus und
Bahn, die sich die Nase nicht putzen sondern fleißig hochziehen. Da
das in Japan das Standartverfahren bei laufender Nase ist, bin ich
mir sicher es auch anderswo schon gehört zu haben. Vielleicht hab
ich es abstoßend empfunden aber so aufgeregt wie in Kobe hat es mich
noch nirgends.
Was
mich auch stets verstimmen konnte war „Kansai-Ben“, der
Dialekt der in der Hyogo Region gesprochen wird. Zu Anfang habe ich
ihn nicht nur nicht verstanden sondern gehasst (vielleicht aus eben
diesem Grund) bis Freunde aus Hokkaido zu mir sagten ich spreche
„Kansai“, da fing ich dann an mir Sorgen zu machen.
Noch
etwas das mir Grund zum schimpfen gab war die Widersprüchlichkeit an
einigen Dingen in der Stadt. Im Zug oder Bus beispielsweise wird
weder Telefoniert noch laut gesprochen, es ist, grade dann, wenn ein
öffentliches Verkehrsmittel zum bersten voll ist, furchtbar leise.
Bis... sobald sich der Zug einer Haltestelle nähert beginnt das
Theater. In einer monoton und unbeirrbaren Leier folgt eine Durchsage
nach der nächsten. Der Name der nächsten Station wird nicht nur
drei Mal wiederholt, es wird auch darauf hingewiesen, das gehalten
wird, das man sich doch bitte festhalten soll weil es sonst
gefährlich sein könnte, außerdem wird gebeten auch ja nichts
liegen zulassen und und und... Durchsagen die auf all das hinweisen
auf welches jeder, der auch nur einen Funken gesunden
Menschenverstand besitzt selber kommen kann, hört man überall. Auch
fragte ich wie es den Menschen ergeht die schon seit 20 Jahren jeden
Tag den selben Zug fahren, wenn ich schon nach einer Woche fast alle
Durchsagen auswendig konnte und mich ein wenig veräppelt fühlte da
mir jeden Tag das gesagt wurde, was ich auch schon wusste als es mir
noch nicht um die Ohren gehauen wurde.
Generell
sind Japans Maschinen einfach nur furchtbar laut, die Badewanne
spricht wenn das Wasser in ihr erhitzt ist, die Waschmaschine wenn
die Wäsche fertig ist, einige Ampeln wenn sie grün werden...
Aber
dann kam eine e-mail, die mich so glücklich und großherzig stimmte,
dass ich überall diese Kleinigkeiten hinweg schauen konnte. „Miri,
ich hab jetzt einen Flug nach Japan gebucht“.
Miri fiel in diesem Moment die Kinnlade herunter.
Meine Mama, meine liebe Mama, mit Sack und Pack, ganz allein hatte sie sich aufgemacht. Es waren seit meiner Abreise aus Deutschland ca. acht Monate vergangen, nach denen ich sie zum ersten Mal wieder in Osaka am Flughafen in die Arme schloss. Trotz acht Monaten hatte sich eigentlich nichts verändert. Ich würde sagen wir streiten uns noch immer sehr stilvoll und lieb haben wir uns auch noch. Das einzige Problem was sich hin und wieder auftat war jenes der Verständigung. Während natürlich keiner von meiner Mutter erwartete sie würde Japanisch sprechen, so gab sie doch stets ihr Bestes, was manchmal in sehr interessanten Silbenaneinanderreihungen führte. Was aber viel schlimmer ist: mein Deutsch bekommt hin und wieder seltsame Züge (ich hoffe das kann man diesem Blog nicht entnehmen!), so redete ich beispielsweise von gelackten Autos und anderem was meiner Mutter fremd war. Es folgten zwei wundervolle Wochen in Kobe, Kyoto und Tokyo.
Tokushima
Ein paar Tage nachdem meine Mama den Flieger zurück nach Deutschland genommen hatte, stieg ich in den Bus nach Tokushima, wo ein Freund von mir in einem Shelter für Hund und Katzen arbeitet, um zu helfen.
Hier möchte ich nie wieder weg!
Auch wenn es jeden Tag feucht heiß ist, so dass ich mir stets wie in einem riesigen Tropenhaus vorkomme. Die passenden Lebewesen, wie Schlangen, riesen Hornissen, giftige Tausendfüßler, Käfer jeder Art, winzige Vögel und tellergroße Schmetterlinge, sind ebenfalls in Massen vorzufinden. Wenn ich mit den Hunden durch den Bambuswald laufe hört es sich genauso an wie in der Amazonassauna in Wischlingen.
Das ist nämlich unsere Aufgabe: mit den ca. 170 Hunden spazieren gehen. Natürlich nicht mit allen auf einmal. Das Shelter liegt auf einem Berg etwas außerhalb von Tokushima, diesen Berg laufe ich täglich dutzende Male mit ein bis drei Hunden hinab und hinauf.
Um 8.30 schwinge ich mich 5 Tage die Woche aufs Rad und düse über das Meer bis zum Haus meiner Chefs. Dann geht es mit dem Auto weiter. Die anderen Volunteers werden eingesammelt und um ca. 10 Uhr beginnen wir mit den Hunden spazieren zu gehen bis... meistens wird es dann doch 19 Uhr, kommt drauf an wie viele wir sind. Dann geht es wieder zurück, ich schwinge mich aufs Rad und düse über das Meer bis zum Haus meiner Gastfamilie. Bis ich geduscht und gegessen habe ist es meistens schon 22 Uhr.
Da die Arbeit so anstrengend ist ist das Wochenende doppelt schön. Was auch immer wir machen.
Außerdem liebe ich nicht nur das Shelter mit seinen Tieren und Menschen sondern auch meine Gastfamilie und die Stadt an sich. Hier gibt es unzählige Flüsse und Seen und das Meer. Es gibt schöne Parks, Palmen und sogar den ein oder anderen Mülleimer! Auch wenn Tokushima in teilen etwas dreckig und heruntergekommen wirkt (verglichen zu anderen JAPANISCHEN Städten), oder grade deswegen, hier lässt es sich wirklich wunderbar aushalten!
Aktueller Stand
Wie sehr ich mich verändert habe, spürte ich letzte Woche als tausende von riesigen Ameisen das Zimmer von meiner Gastschwester und mir enterten. Statt einen panisch grausamen Tod zu sterben, schliefen wir, nachdem unser Kampf vorerst erfolglos blieb, einfach in der Küche bei den Kakerlaken und ich freute mich das es weder eine Stinkwanzen noch eine Hornissen Inversion war. Letztendlich gewannen wir dann doch und würde mein Visum es irgendwie ermöglichen würde ich definitiv noch ein Weilchen hier bleiben.
Doch die Zeit drängt und so geht es schon nächste Woche Freitag wieder in Richtung Kobe zu meinem Evaluationcamp, im Anschluss, vom 28.07-28.08 bin ich in Korea und dann bleiben mir noch ca. drei Wochen in Japan bevor ich am 18.09 wieder deutschen Boden betrete. So ist es jedenfalls geplant. Was ich davon halten soll weiß ich nicht. Ehrlich gesagt macht mir die Tatsache, sobald zurück zu kehren etwas Angst. Wieder heißt es Abschied nehmen, wieder wird sich alles verändern und wieder werde ich mich an etwas neues gewöhnen müssen und das Alte teils hinter mir lassen, teil mit mir nehmen. Denn es ist wie es ist und es kommt wie es eben kommt.
Es bleibt also spannend...
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