Voller
Schmerz habe ich Schintoku hinter mir gelassen. Ich hätte nie
gedacht, dass mir der Abschied so schwer fallen würde...
Es
ist schmutzig und muffelig dachte ich, als ich das erste Mal mein
Zimmer auf der Kyodogakusha betrat. Ich habe mich einsam gefühlt,
habe mir nichts sehnlicher gewünscht als woanders zu sein. In einer
Stadt wollte ich leben, nicht in einem Dorf wie Shintoku. Ich wollte
nicht um 5 Uhr morgens aufstehen und im Dreck arbeiten. Ich wünschte
mir WiFi auf dem Zimmer und ein Bett, eine Waschmaschine die meine
Kleidung sauber macht.
Ganze
zwei Monate hat es gedauert bis ich mich auch nur ansatzweise zuhause
gefühlt habe.
Mit
der Zeit bekam ich das Gefühl, dass ich die 6 Monate vielleicht doch
hier überleben könnte. Ich habe aufgehört die Wochen zu zählen
die noch vor mir liegen. Ich habe gelacht, ich habe Freunde gefunden,
ich habe einfach gesprochen und mein Japanisch hat sich täglich ein
kleines bisschen verbessert. Ich habe es genossen Abends in der
kalten Nacht die Kühe zu füttern.
Plötzlich
wurde mir klar das die Zeit wie im Flug vergangen war, dass ich bald
schon die Kyodogakusha verlassen würde und noch viel erschreckender
kam das Gefühl des Schmerzes, dass ich jedes Mal verspürte wenn ich
an den Abschied dachte.
Sie
ist mein Zuhause geworden diese Farm und ihre Menschen meine Familie.
Doch
die Zeit bleibt nicht stehen, so sehr man es sich auch wünscht und
auf einmal war der 09.03 gekommen und wir standen am Bahnhof von
Shintoku, mein 30kg schwere Koffer neben mir.
Da
mein Gehirn in Extremsituationen die extreme Situation äußerst
langsam begreift, konnte ich noch immer nicht glauben, dass ich nun
Abschied nehmen musste. Netterweise gab es am Abend vorher keine
„Farewell“ sondern eine „See You Again“ Party.
Ohne
größere Zwischenfälle, außer dass mein Flug ca. 1 Stunde
Verspätung hatte, kam ich in Tokyo an. Hier blieb ich eine Woche bei
einem Freund, bevor mein ICYE Mid-Camp anfing. Diese eine Woche
gehörte mit Abstand zur besten Zeit die ich hier bisher hatte!
Auch
das Mid-Camp in Chiba war toll. Die Tage mit all den anderen, gleich
alten Volunteers taten unglaublich gut...
Und
dennoch manchmal sticht es irgendwo da wo ich glaube, dass dort mein
Herz ist und ich wünsche mir nichts sehnlicher als wieder nach
Hokkaido zurück zu kehren.
Aktueller
Stand:
Ich
bin noch in Chiba. Mein neues Projekt in Kobe beginnt mit dem Ende
der Ferien Anfang April. Während in Shintoku noch der Schnee liegt,
blühen hier schon die Kirschbäume und an einigen Tagen ist es
richtig warm. Voller Angst schaue ich dem Sommer entgegen den ich,
nachdem ich den Winter über in einer der kältesten Gegenden Japans
gelebt habe, nun an einem der heißesten Orte verbringen werde. Ich
lebe hier im puren Luxus. Ein Bett, WiFi auf dem Zimmer, es gibt Obst
und Salat, ich arbeite vergleichsweise wenig. An die Zeit in Shintoku
erinnere ich mich voller Dankbarkeit zurück. Ich werde zurück
kommen... eines Tages... zurück zur Kyodogakusha, zurück nachhause.
Es bleibt also spannend...
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